Interview
Schraubverbindungen spielen gerade in der Industrie eine wichtige Rolle. Für die Funktionsfähigkeit vieler Maschinen und Anlagen, ebenso wie für die Sicherheit zahlreicher Produkte ist es unverzichtbar, Bauteile verlässlich miteinander zu verbinden.
Application Engineer Sebastian Gläsner von Henkel Adhesives erklärt, was eine zuverlässige Schraubverbindung ausmacht, worin sich flüssige Schraubensicherungen von herkömmlichen Befestigungsmethoden unterscheiden und worauf man bei der Anwendung flüssiger Produktlösungen achten sollte.
Warum sind gesicherte Schraubverbindungen so wichtig?
Sebastian Gläsner: Schrauben sind wichtige Konstruktionselemente für lösbare Verbindungen. Sie sorgen mit ihren Klemmkräften für Reibschluss, Druckdichtheit oder schlicht für die dauerhafte Positionierung von Bauteilen. Lösen sich die Schrauben unbeabsichtigt, können sie ihren Einsatzzweck nicht mehr erfüllen. Ausfälle oder Schäden können die Folge sein und kost- sowie zeitaufwändige Wartungen und Reparaturen nach sich ziehen, die vermeidbar gewesen wären. Gerade bei sicherheitskritischen Anwendungen sind verlässlich gesicherte Schraubverbindungen daher für mich ein zwingender Standard.
Was sind die Kriterien für eine gute Schraubensicherung?
Sebastian Gläsner: Ganz einfach erklärt: Sie muss die Verbindung im Lastfall zuverlässig sichern und bei einer eventuell notwendigen Demontage den Servicetechniker unterstützen.
Daher möchte ich die Antwort in zwei Teile trennen:
Lastfall sichern:
Schrauben sind selbsthemmend, zumindest im statischen Fall. Die Gewindereibung erhält die Vorspannung der gedehnten Schraube. Bei Vibrationen können jedoch Querkräfte die Gewindereibung im wahrsten Sinne des Wortes aushebeln und die Gewindepartner können sich radial zueinander bewegen – die Schraube lockert sich. Daher benötigen gerade Schrauben mit kurzer Klemmlänge oder geringen Einschraubtiefen Schutz gegen das Losdrehen.
Gewinde schützen:
Ein wirksamer Schutz gegen Korrosion unterstützt das unproblematische Lösen im Wartungsfall. Wer schon mal eine stark gealterte Schraube lösen musste, wird mir zustimmen: Vorhersagbares Aufschrauben kann die Montagezeit deutlich verkürzen.
Worin liegt der Unterschied zwischen flüssigen Schraubensicherungen und herkömmlichen Befestigungsmethoden?
Sebastian Gläsner: Ich habe oben angesprochen, dass im statischen Lastfall die Reibung (Gewindereibung und Kopfreibung) selbsthemmend wirkt. Unser Ansatz mit einer flüssigen Schraubensicherung ist: „Wir halten bei Vibrationen das Gewinde fest und nicht den Kopf.“ Das Konzept von mechanischen Befestigungselementen hingegen ist es, den Schraubenkopf festzuhalten, zwischen den Gewindepartnern bleibt jedoch ein Luftspalt.
Flüssige Schraubensicherungen wie LOCTITE füllen das Gewindespiel komplett aus und Schrauben und Muttern werden stoffschlüssig verbunden. Das Losdrehen der Gewindepartner wird somit auch bei hohen Belastungen dauerhaft unterbunden.
Was sind die Vorteile von flüssigen Schraubensicherungen?
Sebastian Gläsner: Nun, sie sichern in erste Linie wirksam die Schrauben, zum Beispiel gegen Vibrationen, und schützen dauerhaft die Funktion der Baugruppe.
Die Produkte werden flüssig aufgetragen und härten erst nach dem Verschrauben aus. Dadurch sind sie nicht an feste Durchmesser gebunden und können deutlich universeller eingesetzt werden. Eine Flasche lässt sich deshalb für unterschiedliche Gewindegrößen anwenden. Der Produktverbrauch wird nur durch das freie Volumen zwischen Mutter und Schraube bestimmt. Bei einer Standard M10 Schraube mit 8 mm Einschraubtiefe genügt beispielsweise eine 50 ml Flasche LOCTITE für circa 1000 Sicherungen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass durch das vollständige Auffüllen des Gewindespiels mit dem Schraubensicherungsprodukt das Gewinde gleichzeitig abgedichtet und vor Korrosion geschützt wird.
Worauf muss bei der Anwendung geachtet werden?
Sebastian Gläsner: Bei den flüssigen Schraubensicherungen handelt es sich um Metallklebstoffe, welche so formuliert sind, dass sie unter Luftabschluss im Gewindespalt aushärten (anaerober Zustand). Überschüssiger Klebstoff außerhalb des Gewindespiels kann also nicht härten, da er sich nicht unter Luftabschluss befindet. Das kann man vor allem beobachten, wenn versehentlich zu viel dosiert wird. Generell hilft es immer, das freie Volumen des Gewindespiels zu überschlagen. Als Beispiel genügt für eine M10 Schraube mit 0,2 mm Spalt schon ein einzelner Tropfen Schraubensicherung.
Der Klebstoff wird einfach im Bereich der Gewindepaarung aufdosiert. Beim Einschrauben verschleppt sich die Flüssigkeit in das Gewindespiel und härtet dort zu einem duroplastischen Kunststoff aus. Es wird ein Stoffschluss zwischen Mutter und Schraube hergestellt. Überschüsse außerhalb des Gewindes können anschließend leicht abgewischt werden.
Meist hat man bei chemischen Schraubensicherungen eine große Auswahl an verschiedenen Produkten. Wie finde ich die richtige flüssige Schraubensicherung?
Sebastian Gläsner: Das ist abhängig von dem jeweiligen Anwendungsfall. Neben der benötigten Aushärtegeschwindigkeit helfen folgende zwei Fragen, das passende Produkt auszuwählen:
Wie groß ist die Schraube bzw. wie fließfähig muss/darf das Produkt sein?
Dünnflüssige Produkte eignen sich meist sehr gut für kleine Gewinde, dickflüssige bzw. thixotrope Produktlösungen werden in der Regel für große Gewinde verwendet.
Wie oft soll die Schraube gelöst werden bzw. wie fest soll sie gehalten werden?
Mit einer flüssigen Schraubensicherung werden die Gewindepartner gezielte verklebt. Über das Produkt kann man auswählen, wie fest die Schraubverbindung verklebt werden soll. Von der Festigkeit hängt ab, wie leicht man die Verbindung später wieder lösen kann. Deshalb sollte man sich vor der Produktauswahl im Klaren sein, wie häufig eine Demontage der Bauteile erforderlich ist.
Die Farbcodierung unserer LOCTITE-Produkte gibt einen guten Überblick über die zu erwartende Festigkeit und hilft dabei, die passende Schraubensicherung zu finden. Bei Henkel wird zudem ein hoher Wert auf den technischen Service gelegt: Mit unserer Servicehotline und unserem Schulungsangebot unterstützen wir unsere Kunden und Vertriebspartner auch gerne direkt bei ihren Anwendungen und Fragen.
Zur Person: Sebastian Gläsner, Dipl. Ing. für Verfahrenstechnik, ist seit 6 Jahren in der technischen Anwendungsberatung für industrielle Klebstoffe bei Henkel Adhesives tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf anaeroben Klebstofftechnologien und Klebstoffstofflösungen für den Maschinenbau. Er ist unter anderem verantwortlich für die technische Beratung und hilft Kunden, die passende Verbindungstechnologie für ihren jeweiligen Anwendungsfall zu finden.